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Edition:02/2006
Klaus-Peter Kleszewski

KUAS200402

Vorgestellt

Wuchsort in exponierten Höhenlagen

Astrophytum myriostigma var. nudum (R. Meyer) Megata

 

von Heinz Hoock & Klaus-Peter Kleszewski

Der um die vorletzte Jahrhundertwende neben der Firma Kakteen-Haage bekannte Kakteenhändler Richard Grässner importierte 1911 bis dahin unbekannte Pflanzen aus der Gattung Astrophytum. Es handelte sich um völlig flockenfreie Astrophytum myriostigma die Rudolf Meyer (1912) an Hand weniger Exemplare als Echinocactus myriostigma var. nuda in der Monatsschrift für Kakteenkunde beschrieb. Der Name ist eigentlich ein Widerspruch in sich selbst. “Myriostigma” bedeutet ja in Anspielung auf die zahlreichen Wollflöckchen auf der Epidermis dieser Kakteen “zehntausend-gepunktet”. Lemaire (1839) schreibt in seiner Erstbeschreibung wörtlich “A. decem millibus punctis albis sparsum” (‚von zehntausend weißen Punkten überzogen’, d. Red.). Die Epidermis der neuen Pflanzen ist aber gerade ohne jede Wollflocke, als nudal charakterisiert.

Für die Gattung Astrophytum ist bis heute eine grundsätzliche Frage nicht sicher geklärt: Welche Funktion haben die Wollflöckchen, die nur bei diesen Pflanzen zu finden sind? Wir wissen sicher, dass sie in einigen Fällen der optischen Einpassung in die Umgebung und damit dem Schutz vor den Fressfeinden dienen. Aus den Untersuchungen von Buxbaum (in Krainz 1962) über die morphologischen Eigenschaften dieser Epidermisanhängsel und der Interpretation durch Schill  et al. (1973) könnte man darauf schließen, dass die Wollhaare auch der Wasseraufnahme dienen. Weiter werden als mögliche Flockenfunktion von verschiedenen Autoren Nässeschutz (Haage & Sadovsky. 1957), Kälteschutz (l.c. u.a.) oder Sonnenschutz (Purpus 1914, Ritter 1930, Damude & Poole 1990 u.a.) genannt.

Aber ausgerechnet das nudale, grüne A. myriostigma wächst in den exponiertesten Hochlagen aller Astrophyten-Wuchsorte und nicht nur getarnt in den bodendeckenden Hechtien (Abb. 2) sondern überraschend häufig auch völlig freistehend in der prallen Sonne (Abb. 3). Seine Heimat befindet sich im mexikanischen Bundesstaat San Luis PotosÍ nördlich der Sierra de Guadalcazar bis etwa in die Ausläufer der östlichen Sierra Noala hinein. Der von Viereck noch weiter nördlich genannte Fundort Matehuala wurde zwar von verschiedenen namhaften Autoren immer wieder zitiert, ist jedoch vermutlich eine absichtliche Irreführung für die damalige Sammler-Konkurrenz (Viereck 1939).

Betrachtet man die einzelnen Fundorte so kann man diese in zwei Sektionen einteilen. In den sogenannten Mischgebieten wachsen beflockte, nudale und halbnudale Pflanzen auf wenigen Quadratmetern zusammen. Die Pflanzenbestände in den bereits erwähnten Hochlagen sind dagegen einheitlicher ohne Beflockung.

Machen wir zuerst einen Abstecher in die Berge nördlich der Sierra Guadalcazar. Das Habitat liegt auf einer Höhe von 1750 m über dem Meer. Es ist auf den nach Südwesten ausgerichteten Bergen recht beschwerlich zu begehen. Schräg abfallende felsige Kalkplatten sowie Kanten und Abrisse mit eingeschobenen Schotterinseln bestimmen das Landschaftsbild. Zwischen niedrigen Büschen und Bäumen gedeihen in der Hauptsache Hechtien. Als weitere Begleitpflanzen sind Ariocarpus retusus (Scheidweiler), Thelocactus tulensis (Poselger) Britton und Rose, Mammillaria candida (Scheidweiler) sowie einige Opuntia spec. zu nennen.

Astrophytum myriostigma var. nudum wächst hier ohne Schutz in der prallen Sonne. Bevorzugte Wuchsorte sind direkt neben den Hechtien (Abb. 9). Einige wenige Exemplare strecken ihre Körper auch aus den Hechtien hervor, die Epidermis dieser Pflanzen ist dunkelgrün. Ungeschützte Pflanzen zeigen eine hellgelbe, teilweise rötliche Verfärbung. Betastet man die Körper so stellt man neben einer starken Erwärmung und geringem Turgor (eigentlich “Schwellung” des Pflanzenkörpers bedingt durch den Innendruck von Zellen infolge von Osmose nach Wasseraufnahme. Geringer Turgor: die Pflanzen wirken “welk”. D. Red.) fest, dass die Epidermis glatt und ohne jegliche Vertiefungen durch ehemalige Wollflocken ist. Die Pflanzen besitzen einen gedrungenen Körperbau, ihr Durchmesser liegt zwischen 10 und 18 cm bei einer Höhe von 12 bis 20 cm. Die Rippen sind breit und weniger kantig geformt, bei einigen Exemplaren sind Querrippen gut erkennbar ausgeprägt (Abb.  7). Die Areolen stehen ca. 1 cm auseinander.

Etwas weiter nördlich liegt in der Sierra Noala ein weiteres Verbreitungsgebiet in 1710 m Höhe über dem Meer. Hier herrschen ähnliche Gegebenheiten vor. Das Gelände ist gekennzeichnet von hellem Kalkstein, der in diesem Gebiet überall zu finden ist. Auf dem Südhang dominieren Hechtien, und Astrophytum myriostigma var. nudum wächst innerhalb dieser “Bodendecker”. Bei mehreren Besuchen dieser Gegend im April wehte stets ein starker, recht böiger und um diese Jahreszeit auch kühler Wind. Als Begleitpflanzen sind neben Thelocactus tulensis (Poselger) Britton und Rose noch Echinocereus parkeri (Taylor) zu erwähnen.

Astrophytum myriostigma var. nudum erinnert zwar an die südlichen Verwandten, doch man entdeckt bei genauer Untersuchung einige Unterschiede. Die Epidermis ist dunkelgrün mit einem leichten Anflug ins Bläuliche. Die Körperbasis ist ebenfalls breit, wobei der Pflanzenkörper aber mehr gestreckt und nicht gedrungen erscheint. Die Rippen sind kantiger ausgeprägt, die Areolen stehen dichter und erinnern an eine Perlenkette.

Untersucht man die Areolen der nudalen Myriostigmen genau, so stellt man unabhängig vom Standort fest, dass zwischen der grauen, filzigen Areolenwolle einzelne Dornen vorhanden sind (Abb. 4) (Klaus 1985). Allerdings sind diese ca. 3 mm langen Dornen nicht sehr stark haftend. Bei Berührung oder anderen mechanischen Einflüssen fallen sie leicht ab. Sämlingsbedornung bei Astrophytum myriostigma ist insbesondere bei Vermehrung von Material aus dem Jaumavetal bekannt. Mit zunehmendem Alter der Jungpflanzen verliert sich diese jedoch. Im Gegensatz dazu wird die atavistische Bedornung bei der nudalen Varietät auch im Erwachsenen- und Altersstadium beibehalten.

Die Erstbeschreibung von Rudolf Meyer enthält aus heutiger Sicht leider mehrere Schwachpunkte. Zum einen kommen am natürlichen Standort nach bisheriger Kenntnis nur Populationen vor, die bezüglich ihrer Tendenz zur Flockenfreiheit mischerbig sind. Aus solchen Pflanzengemeinschaften lassen sich zwar problemlos reinerbig grüne Pflanzen züchten (u.a. Gräser 1967) aber für eine moderne Definition einer “Varietät” genügt das nicht. Auch eine geografische Isolation der Standorte von Astrophytum myriostigma var. nudum zum “normalen” beflockten Astrophytum myriostigma ist wohl nicht gegeben. Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Reduzierung bzw. dem Wegfall der Beflockung um einen Effekt handelt, der auf die Umgebungsbedingungen der hochgelegenen Habitate zurückzuführen ist. Weiter ist festzustellen, dass auch andere Pflanzengemeinschaften vom “normalen” Astrophytum myriostigma vereinzelt zur Flockenreduktion neigen wie etwa diejenige um Las Tablas oder Huizache, San Luis Potosi (Kleszewski 1994) und bei San Antonio, Tamaulipas (Hoock 1990).

Rudolf Meyer unterlag auch einem grundsätzlichen Irrtum wenn er schreibt, die Wollflöckchen würden in Epidermisvertiefungen nachträglich auf den Pflanzen wachsen. Die Flocken entstehen immer in der Wachstumszone und wenn sie abfallen oder mechanisch entfernt werden hinterlassen sie eine kleine Vertiefung auf der Epidermis die nicht mehr durch Flöckchen besetzt wird.

Astrophytum myriostigma v. nudum erfordert keine vom Typ abweichende Pflege. Ein vorwiegend mineralisches Substrat ist wie bei allen Astrophyten für die Kultur von Vorteil. Wenn die Pflanzen im Winter bei Temperaturen um 10 Grad Celsius trocken gehalten werden, bringen sie in der Wachstumszeit von etwa April bis Oktober regelmäßig ihre strohgelben Blüten (Abb.4). Aber auch bei bester Pflege bilden sich an alten Pflanzen im unteren Bereich manchmal rote Flecken auf der Epidermis die später verborken. Der “Perfektionist” unter den Pflanzenfreunden mag sich damit trösten, dass dies ein ganz natürlicher Vorgang ist, der das “Nudum” kennzeichnet und der auch am heimatlichen Wuchsort in Mexiko stattfindet.

 

 

Literatur:

 

DAMUDE, N. & POOLE, J. (1990): Status report on Echinocactus asterias (Astrophytum asterias). – U.S. Fish and Wildlife Service, Albuquerque, New Mexico: 1-58.

GRÄSER, R. (1967): Wünsche eines Myriostigmenfreundes. – Shaboten 65 (4): 2-6.

HOOCK, H. (1990): The Myriostigmas of San Antonio. – Brit. Cact. Succ. Journ. 8 (3): 68-73.

KLAUS, W. (1985): Dornen-Rudimente bei Astrophytum myriostigma LEMAIRE. – Kakt. and. Sukk. 36 (7): 132-133.

KLESZEWSKI, K. P. (1994): Begegnungen mit Astrophyten an der Huizache-Kreuzung – Kaktusblüte, Verein der Kakteenfreunde Mainz/Wiesbaden und Umgebung: 48-51.

KRAINZ, H. (1961): Die Kakteen. – Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart.

LEMAIRE, CH. (1839): Cactacearum Genera nova Speciesque novae et omnium in Horto Monvillano cultarum: 3-6.

MEYER, R. (1912): Echinocactus myriostigma S.-D. var. nuda R. MEY. var. nov. – Monatsschrift f. Kakteenkunde 22 (9): 136-137.

PURPUS, J. A. (1914): Mimikry bei Kakteen. – Möllers Deutsche Gärtner-Zeitung Jg. (8): 89-91.

RITTER, F. (1930): Über die Verbreitungsbedingungen der Kakteen in Mexiko. – Monatsschrift d. DKG 2 (9): 191-199.

SCHILL, R.; BARTHLOTT, W.; EHLER, N.; RAUH, W. (1973): Rasterelektronen-mikroskopische Untersuchungen an Kakteen-Epidermen und ihre Bedeutung für die Systematik. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz – Steiner-Verlag, Wiesbaden: 209-218.

VIERECK, H. W. (1939): Astrophyten, wie sie der Sammler in den Heimatgebieten sieht. – Beiträge z. Sukkulentenkunde Jg (1): 4-8.

 

Heinz Hoock

Weingartenweg 35

D – 84036 Landshut

 

Klaus-Peter Kleszewski

Im Brückfeld 4

D – 65207 Wiesbaden

 

Bilder:

 

Abb. 1:

Abb. 2:

Abb. 3:

Abb. 4:

Abb. 5:

Abb. 6:

Abb. 7:

Abb. 8:

Abb. 9:

Höhendiagramm:

Abb. 10: